Der Widerruf von Potsdam

Potsdamer widerrufen den Ruf aus Potsdam nach einer Garnisonkirchenkopie

Widerruf aus Potsdam (pdf)

Voller Unverständnis und Empörung hörten wir jene Botschaft, die vor Jahren als Ruf von Potsdam ihren Weg in die Welt suchte und zum Wiederaufbau eines unheilvollen Symbols aufrief. Unserer Verantwortung vor Geschichte, Gegenwart, Zukunft und unserem Gewissen verpflichtet, erheben wir unsere Stimme und unsere Herzen gegeneinen Nachbau der GARNISONKIRCHE in Potsdam.

Im Jahre 1735 errichtete der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. ein Monument für sein Militär. Die GARNISONKIRCHE in Potsdam sollte für hunderte Jahre das geistliche Zentrum des preußischen Militarismus und damit Ausgangsort aller preußischen Kriege sein, an dem tausende Soldaten ihren Segen erhielten. Die Politik des Krieges, die an diesem Ort gesegnet wurde, brachte Tod und Leid über unzählige Menschen und Länder. Die militaristische Nutzung der Kirche geschah im Geiste von Großmacht, Krieg und Unterdrückung – dem Geist, der sich schließlich im deutschen Faschismus wiederfand.

Am 21. März 1933 reichten sich in der GARNISONKIRCHE der Reichspräsident Paul von Hindenburg und der neu ernannte Reichskanzler Adolf Hitler die Hand. Im Ritus des so genannten Tages von Potsdam vermählte sich das militaristische Preußen mit dem aufstrebenden deutschen Faschismus. Doch blieb der Faschismus länger als nur den einenTag Gast in dieser Kirche.

In logischer Konsequenz:

1945 ereilte die Kirche das Schicksal ihrer Botschaft. Sie wurde während eines Bombenangriffes in Trümmer gelegt. Und mit ihr jener Geist, der diese und andere Taten in und vor der Welt zu verantworten hat.

1968 beseitigte der ebenso politisch wie sozial motivierte Umbau der Stadt Potsdam die Kirchruine. Der Standort verlor seine Funktion, die Stadt wuchs über ihn hinweg und veränderte nachhaltig ihre Identität und ihr Erscheinungsbild.

Aller Vernunft zum Trotz finden sich heute wieder Menschen zusammen, die danach trachten, diesem militaristischen Symbol erneut Leben einzuhauchen. Erst offen, der Erinnerung an die preußische Pracht geweiht, heute verdeckt unter dem Mantel vorgeblicher Versöhnungsbestrebungen stadtbauästhetischer Aspekte.

Wer die GARNISONKIRCHE wieder aufbauen will, deutet Geschichte um.

Wer die GARNISONKIRCHE wieder aufbauen will und sich damit Versöhnung auf die Fahne schreibt, erklärt die dunkle Nacht zum Zeichen des lichten Tages und versöhnt sich doch nur mit der reaktionären Geschichte Preußens.

Wer die GARNISONKIRCHE wieder aufbauen will, verschwendet öffentliche Gelder und erhält eine kunsthistorisch wertlose Kopie. Wer eine Kopie der GARNISONKIRCHE bauen will, handelt im besten Falle naiv und fantasielos – im berechenbarsten aber revanchistisch:

Städtebaulich. Politisch. Kulturhistorisch.

Denn ein Neubau der GARNISONKIRCHE wäre ein weiterer Stein im Machwerk des Potsdamer Stadtrückbaus. Den Interessen der Potsdamer zum Trotz wird daran gearbeitet, die plurale Stadt der Gegenwart auf ein romantisiertes Stadtideal der Frühneuzeit zurück zu bauen. Potsdam heute ist die Summe vieler Baukulturen und die Vielfalt seiner Brüche. Die Stadt ist sozialer Ort des Menschen, sie ist Abbild seiner Lebenswege und seines Seins. Ein Rückbau Potsdams auf seine monarchische Identität erschüttert die städtische Sozialkultur und vor allem unsere heimatliche Identität des Hier und Jetzt.

Unterstützen Sie uns dabei, der Wiedererrichtung des Symbols von Krieg und Unterdrückung, von Preußen und deutschem Faschismus Einhalt zu gebieten. Unterstützen Sie uns, dem fortschreitenden musealen Umbau einer lebendigen Stadt entgegen zu treten.

Menschen des Geistes, der Vernunft und des Friedens! – hier an der Havel und allen Flüssen der Welt:

Helft, die Spuren der Geschichte zu bewahren und im Hier und Jetzt Gedenken zu üben.

Helft, unsere Stadt zu schützen vor dem heimeligen Zierrat träumender Militaristen und der seichten Verführung durch das vermeintlich Schöne der Geschichte.

Helft, Gottes Liebe zu schützen vor Missbrauch und Instrumentalisierung durch die Unaufrichtigen, vor der Steinigung durch totes, ideenloses Mauerwerk aus der Retorte. Helft, die GARNISONKIRCHE in Potsdam zu verhindern!

Wir wollen ein Potsdam der Zukunft, nicht eines der Vergangenheit. Ein Potsdam, dessen architektonische Geschichte nicht mit dem Barock ein Ende gefunden hat und in dem die Interessen der Einwohner, die Stadtgeschichte und Stadtkultur gleichberechtigt nebeneinander Platz finden. Wir wollen ein gegenwärtiges, ein geschichtsbewusstes, ein demokratisches Potsdam!

Wir wollen ein Potsdam Ohne Garnisonkirche.

Die Bürgerinitiative: Für ein Potsdam OHNE Garnisonkirche.

www.ohne-garnisonkirche.de 

5 Gedanken zu “Der Widerruf von Potsdam

  1. Frank Rutloff schreibt:

    Der „Widerruf“ von Potsdam erinnert mich an meinen Staatsbürgerkundeunterricht zu Zeiten der real bestehenden DDR. Ich bin der Auffassung, dass den Bürgern der ehemaligen DDR, wie auch ich einer war, es durchaus nicht verwehrt sein dürfte, sich in den letzten 22 Jahren mit dem Staat Preußen auf einer objektiven Ebene auseinander zu setzen. Hierfür empfehle ich als Einstieg unter anderem ein Werk eines australischen Historiker (Christopher M. Clark;Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600–1947), der eben gerade nicht diesen auch von mir kritisierten „Mythos Preußen“ zelebriert, sondern den Staat, dessen Verwaltung und Existenz in einem europäischen Spannungsfeld darstellt. Den Staat Preußen oder die GARNISONKIRCHE als dessen Symbol für Großmacht, Krieg und Unterdrückung zu bezeichnen, ist undifferenziert und lässt darauf schließen, dass sich der Autor des oben genannten Textes mit dem Staat Preußen bisher nicht objektiv auseinandergesetzt hat. Aus diesem Grund muss eine Unterstützung der Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche versagt bleiben.

    • Kritiker der Kritik schreibt:

      Wer Objektivität in Geschichtsdiskursen lamentiert hat sich scheinbar nur unzureichend mit der Auseinandersetzung vor der Auseinandersetzung beschäftigt: Objektivität kann unzählige Male als Begriff bemüht und beschworen werden, allein sie anzustreben ist ein Irrtum. Ganz gleich wie lange sich ein alter, weißer Mann auch in sein still Kämmerlein einschließen mag, um uns dann in Form eines Buches seine Weis(z)heit zu verkünden. Er wird von seiner Perspektive gefangen bleiben und uns allem Rennomee zum Trotz keine Wahrheit verkünden können. Er wird ganz sicher von Verwaltungen, Staat und hoher Politik zu erzählen wissen. Er wird Namen nennen. Namen, die uns helfen dürfen, ein einfaches Bild von Geschichte zu malen. Und auf eben diese Weise wird er eine Geschichte erzählen, in der kaum ein Mensch als Mensch vorkommt. Damit wird er auf seine Art das verkörpern, was auch Preußen verkörperte.

      Eben da wird für mich der Widerstand gegen die Garnisonkirchenkopie relevant: Es geht um eine lebenswerte Stadt für Menschen, eine Stadt im Interesse der Menschen und eine Stadt in der sich die Menschen ohne Unterschiede von z.B. Alter und Finanzkraft bewegen können. Das ist in Potsdam immer weniger der Fall. Wenn im erwähnten Buch etwas von diesen schönen Dingen des Lebens steht, dann lohnt es sich für mich, mal reinzulesen. Andernfalls behalte ich mir vor, nach wie vor mit Interesse für ein – wie auch immer gedeutetes – Preußen zu geizen.

      Kleine Charakterisierung von sog. Historikern am Rande:
      „Vor Jahren sprach ich einmal unter Freunden, die keine Historiker sind, davon, welche Komik von Historikertagen ausgeht, auf denen erwachsene Männer
      und Frauen einander hölzerne Texte vorlesen und über das Problem von Ge-
      schlecht und Bodenerosion in diskursanalytischer Perspektive in heftigen Streit
      geraten. Seitdem gelten ihnen Historiker als Menschen, die Zettel mit lustigen
      Geschichten voll schreiben und dann irgendwo hinfahren, um diese lustigen Ge-
      schichten anderen Historikern vorzulesen.“ Jörg Baberowski, „Brauchen Historiker Theorien?“ (2009)

      p.s.: Warum muss eigentlich generell jede Form der Unterstützung versagt bleiben? Können wir nicht nur immer für uns selber sprechen? Allein Beschwörungsformeln wie „man“ oder „es muss“ stellen noch keine Objektivität her.

    • Petra schreibt:

      Einer politischen Diskussion möchte ich mich bzgl. des Baus einer 2. Garnisonkirche nicht hingeben, da mich dieser Hintergrund garnicht interessiert. Ich bin auch kein Historiker. Vielmehr interessiert mich warum Potsdam eine Garnisonkirche braucht. Um einigen wenigen Menschen eine Plattform zur Selbstverwirklichung zu bieten? Potsdam ist eine Stadt mit sehr hoher Dichte an Baudenkmälern und historischen Parks. Ich hätte mir für so viele Millionen an der Ecke Dortustr. / Breite Str. ein modernes Gebäude bspw. von Liebeskind vorstellen können und die Realisierung des Niemeierentwurfes für ein Schwimm- und Wellnessbad am Brauhausberg wäre auch noch finanzierbar gewesen. Das würde die Attraktivität Potsdams wirklich erhöhen und wäre zudem zukunftsweisend und modern. Andererseits habe ich mich auch für einen Landtag im Gewand des alten Stadtschlosses sehr eingesetzt weil zweckgebunden. Also vielleicht kann mir jemand erklären, warum es sinnvoll ist, die Garnisonkirche zu bauen.

  2. Jakob schreibt:

    Preußen mit Militarismus gleichzusetzen, das ist aber eine sehr konsevative Lesart, die mit der Geschichte wenig zu tun hat. Eher mit deutschnationalen Überwindungsstrategien für Preussen und konservativer Geschichtspolitik.

    Die Lesart der Garnisonkirche als eines „Symbols von Krieg und Unterdrückung“ klingt komisch.

    Und der Aufruf „unsere Stadt zu schützen vor dem heimeligen Zierrat träumender Militaristen und der seichten Verführung durch das vermeintlich Schöne der Geschichte“… also ich weiss ja nicht…

    Lieber entspannt einen Tee trinken…

    Lass die doch ihre Kirche bauen, wenn sie das Geld zusammen kriegen. Im schlimmsten Fall haben wir einen neuen Ausguck für die Kinder… Hokus Pokus wie Militarismus, das ist doch alles Mummenschanz. Wer was gegen den Militarismus tun will, der sollte sich die Auslandseinsätze vornehmen und die znehmend militarisierte Aussenpolitik. Ob Deutschland mit oder ohne Kirche Bomben wirft und Waffen liefert, ist doch nicht der Punkt. Mir ist lieber ein Deutschland mit Kirche und Militär für Mumpitz als eine Land ohne Kirche und Soldaten im weltweiten Brandstiftereinsatz „für den Frieden“.

Hinterlasse eine Antwort zu Kritiker der Kritik Antwort abbrechen